Warum Herbert Diess gefeuert wurde: gescheitert an sich und der E-Mobilität

academy

Natürlich lesen sich die üblichen Floskeln von der „einvernehmlichen Trennung“ freundlich. Sie vernebeln aber die Wirklichkeit nur unzureichend. Niemand einigt sich mitten im Jahr „einvernehmlich“ auf seinen Rauswurf. Dass Diess weitere drei Jahre sein Millionengehalt bezieht, ändert nichts daran, dass ihn die zugefügte Wunde in seiner Eitelkeit mächtig weh tun wird. Letztlich ist er gescheitert. Als sein Vertrag vor einem Jahr um vier Jahre verlängert wurde, hatte das etwa dieselbe Tragkraft, wie wenn die Ex-Kanzlerin Merkel einem Minister das Vertrauen aussprach und ihm ihr „vollstes Vertrauen“ versicherte. Diess war auf Abschuss schon länger freigegeben von den Familien Porsche und Piech. Die wahren Hintergründe sind jedoch andere und sie sind vielfältiger, als das jetzt durch die Medien geistert. Es klingt unglaublich: aber gescheitert ist Diess an seiner Radikalität in Richtung Elektromobilität. Der Zwist zwischen Diess und seinem Nachfolger Oliver Blume entzündete sich schon vor einem Jahr. Blume forderte Technologieoffenheit, Diess wollte radikal Batterie-Autos. Als Blume dann sogar in Chile eine Fabrikation für synthetische Kraftstoffe aufbaute, muss es zwischen beiden CEOs zum Krach gekommen sein. „Diess empfand das als einen hinterhältigen Angriff auf seine E-Strategie. Diess ließ keine Gelegenheit aus, über alternative Kraftstoffe zu spotten. Aus Zuffenhausen kam dagegen immer wieder der Hinweis, dass Synfuels unbedingt notwendige seien. Nicht nur um 911er-Eigner zu beruhigen. Blume wusste bei diesen divergierenden Strategien die Familien auf seiner Seite. Während Diess sich abstrampelte, Batterie-Autos durchzusetzen, formierten sich auch zahlreiche Zulieferer gegen die einseitige Strategie. Dazu kam, dass sich die E-Strategie nicht einmal in China als brillanter Schachzug erwies, sondern elektrische Volkswagen teilweise wie Blei in den Showrooms standen. Dass Diess auch die eigenen Verbrenner-Kunden „in den Hintern getreten hat“ (ein Insider), sorgte bei den Eignern für mehr als nur Stirnrunzeln. Dazu kam, dass Diess auch die Software-Firma Cariad nicht in Schwung brachte und die Software bei VW noch immer viele Störungen produziert. „Diess hat sich übernommen“, sagt ein Insider, „weil er zu viel zu schnell wollte“. Ein anderer meint, dass Diess „über seinen eigenen Ehrgeiz gestolpert ist“. Es ist zu erwarten, dass Blume den Konzern nun sehr vorsichtig auf Technologie-Offenheit umleitet.

WebAutoBlog.com    Prof. Hans-U. Wiersch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert